Betriebe im harten Wettbewerb: Warum grüne Energie für die Standortfrage so entscheidend ist
Ein rascher Zugang zu grüner Energie und mehr Kooperation zwischen Kommunen und Betrieben kann die Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Mehr erneuerbare Energie, mehr Wärmepumpen und E-Mobilität: Die neue Energiewelt verlangt nach einem umfassenden Umbau unserer Stromnetze. Wie wir das schaffen, darüber spricht Dr. Pascal Köhn, Geschäftsleiter Strom und Energietechnik bei e-regio, im Interview.
Herr Dr. Köhn, warum braucht unser Stromnetz ein Update?
Dass unser Stromnetz, so wie es seit Jahrzehnten gewachsen ist, den Anforderungen der Energiewende angepasst werden muss, ist nicht neu. Schließlich wurden die Grundsteine unserer Infrastruktur vor vielen Jahrzehnten gelegt, als noch niemand an PV-Anlagen und Elektroautos gedacht hat. Neu ist das Tempo, in dem die Transformation der Energieversorgung voranschreitet – und voranschreiten muss. Das setzt das Stromnetz unter Stress, hier bei uns und bundesweit. Wir müssen es an vielen Stellen flexibler, smarter und leistungsfähiger machen – und das sehr schnell.
Was sind denn die Stressfaktoren?
Da sehe ich vor allem drei Faktoren: Erstens haben wir einen hohen Zubau nicht regelbarer erneuerbarer Erzeugungsanlagen, die ins Netz eingebunden werden müssen. Dazu zählen Wind- und Solarparks, aber auch die vielen Hundert Dachsolaranlagen auf Privathäusern und Firmendächern, die jedes Jahr neu installiert werden. Die Leistung dieser Anlagen wird in unserem Versorgungsgebiet bis 2045 schätzungsweise um das Zehnfache steigen. Als zweites ist die Elektrifizierung der Wärmeversorgung zu nennen. In unserer oft ländlichen Region werden Wärmepumpen eine große Rolle spielen. Aktuell haben wir erst einige Hundert im System. 2030 werden wir etwa 10.000, im Jahr 2045 möglicherweise sogar rund 25.000 Stück mit Strom versorgen müssen. Als drittes spielt noch die E-Mobilität eine große Rolle. Individuelle Mobilität wird in unserer Region immer wichtig bleiben und zunehmend elektrisch sein. Die Zahl der öffentlichen wie privaten Ladepunkte für E-Autos wächst. Viele dezentrale Energieerzeuger einerseits, neue starke Stromverbraucher andererseits – das neue Stromnetz muss all dies in Einklang bringen können.
Wie sieht der e-regio-Fahrplan für das Verteilnetz 2.0 aus?
Das Stromnetz der Zukunft entsteht nicht über Nacht. Wir müssen das Netz proaktiv umbauen, damit die Energie- und Wärmewende gelingen kann. Ziel ist ein verändertes, klimaneutrales Energiesystem. Es wird viel digitaler und vor allem steuerbarer sein. Dafür brauchen wir Daten, müssen Schnittstellen schaffen, die geeigneten Systeme aufbauen, Fachkräfte einstellen und es wird natürlich auch Baumaßnahmen geben. Wir haben vier große Phasen definiert, wobei wir uns aktuell mitten in der ersten befinden. Das vorläufige Ende ist für 2045 geplant, wenn Deutschland das Ziel Klimaneutralität erreicht hat. Ich sage bewusst vorläufig, denn in der Energiewelt gibt es keine Endgültigkeit. Es wird immer neue Anforderungen geben, auf die wir die Versorgungsnetze ausrichten.
Was passiert denn konkret in der aktuellen Phase?
Aktuell schaffen wir bereits leistungsfähigere und komfortablere digitale Schnittstellen für Kundinnen und Kunden, erleichtern es zum Beispiel, Solaranlagen anzumelden oder Abrechnungen zu managen. Außerdem müssen unsere Netze intelligenter werden, um auf schwankende Nachfrage und Erzeugung zu reagieren. Dazu brauchen wir kontinuierlich Messdaten, um Erzeugung und Verbrauch zu managen. Smart Metering und aktive Leitsysteme helfen uns zukünftig dabei, den Strom dorthin zu leiten, wo er gerade dringend gebraucht wird.
Wie kann man sich diese Steuerung vorstellen? Stellen die Versorger demnächst im Winter die Wärmepumpen ab und man sitzt im Kalten? Ist das eine begründete Sorge?
Nein. Die Möglichkeit, die Leistung von Wärmepumpen aber auch Ladepunkten von Elektroautos zu reduzieren, hilft uns, das Netz stabil zu betreiben und Versorgungsausfälle zu verhindern. Hierzu haben wir seit Beginn des Jahres bereits die Möglichkeit, die Bezugsleistung von Wärmepumpen und Ladesäulen auf 4,2 kW zu begrenzen, wenn es ansonsten zu einem Netzengpass oder sogar Stromausfall kommen würde. Dies ist aber nur in Ausnahmefällen und zeitlich stark begrenzt vorgesehen. Auch heute schon werden Wärmepumpen und Nachtspeicherheizung tagsüber abgeschaltet, um einen günstigen Stromtarif nutzen zu können. Bis Häuser auskühlen, vergehen jedoch viele Stunden, sodass die Menschen auch heute nicht frieren müssen, wenn Wärmeerzeuger kurzzeitig abgeschaltet oder in der Nachtabsenkung reduziert werden. Zukünftig machen wir das dann zielgerichteter und bedarfsorientierter. Da wo möglich, aber nur so viel, wie nötig.
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Mit „epulse KOMMUNAL“ versorgen wir Sie mehrmals im Jahr mit aktuellen Informationen, Hintergründen und Best Practices zur Energie- und Wärmewende – heruntergebrochen auf unsere Region. Wir helfen Ihnen dabei, die drängenden Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu beantworten und sich fit zu machen für die Energiewelt der Zukunft.